Die Geschichte vom grünen Fahrrad

Die Geschichte vom grünen Fahrrad

 

Einmal wollte ein Mädchen sein Fahrrad anstreichen. Es hat grüne Farbe dazu genommen. Grün hat dem Mädchen gut gefallen. Aber der große Bruder hat gesagt: „So ein grasgrünes Fahrrad habe ich noch nie gesehen. Du musst es rot anstreichen, dann wird es schön.“ Rot hat auch dem Mädchen gut gefallen. Also hat es rote Farbe geholt und das Fahrrad rot gestrichen. Aber ein anderes Mädchen hat gesagt: „Rote Fahrräder haben doch alle! Warum streichst du es nicht blau an?“ Das Mädchen hat sich das überlegt und dann hat es sein Fahrrad blau gestrichen. Aber der Nachbarsjunge hat gesagt: „Blau? Das ist doch so dunkel. Gelb ist viel lustiger!“ Und das Mädchen hat auch gleich gelb viel lustiger gefunden und gelbe Farbe geholt. Aber eine Frau aus dem Haus hat gesagt: „Das ist ein scheußliches Gelb! Nimm himmelblaue Farbe, das finde ich schön.“ Und das Mädchen hat sein Fahrrad himmelblau gestrichen. Aber da ist der große Bruder wieder gekommen. Er hat gerufen: „Du wolltest es doch rot anstreichen! Himmelblau, das ist eine blöde Farbe. Rot musst du nehmen, Rot!“ Da hat das Mädchen gelacht und wieder den grünen Farbtopf geholt und das Fahrrad grün angestrichen, grasgrün. Und es war ihm ganz egal, was die anderen gesagt haben.

 

 Ursula Wölfel „Achtundzwanzig Lachgeschichten“

Das Wesentliche

Das Wesentliche

 

Im Wesentlichen kommt man zur Ruhe. Denn das Wesentliche erfüllt.
Je mehr wir vom Wesentlichen abweichen, desto unruhiger werden
wir, desto zerstreuter und desto verwirrter. Daher können wir an
unserem Erleben ablesen, inwieweit wir uns von ihm entfernt haben.

Wenn wir am Wesentlichen sind, spüren wir, dass es vorwärts geht,
dass etwas ans Ziel kommt, und zwar so, dass sich dort etwas
Wesentliches entwickelt.

Das Wesentliche ist vielen und vielem gemeinsam. Daher lassen wir
beim Wesentlichen das Einzelne, Enge, Begierige, Maßlose hinter uns,
sind eingebunden, verfügbar ausgreifend und zugewandt.

Das Wesentliche – anders als das Unwesentliche – dauert, und weil es
ruhig und gelassen sein kann, ist es am Anfang oft unscheinbar. Aber
es ist beharrend. Und es ist wohltuend und wird im Lauf der Zeit von
vielem mitgetragen.

Wann kommt man zum Wesentlichen? Vor allem durch das Innehalten.
Denn es zeigt sich nicht sofort, sondern erst zur rechten Zeit.

Manchmal, wenn wir vom Wesentlichen abgewichen sind, kann es
lange dauern, bis wir wieder zu ihm finden. Denn das Wesentliche verlangt
auch Abschied.

Bert Hellinger

Die Sterntaler

Die Sterntaler

 

Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld.

Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir’s,“ und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben,“ und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin.

Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.

Ein Märchen der Brüder Grimm

Der Schlüssel

Der Schlüssel

 

Willst du dich selber erkennen, so sieh, wie die andern es treiben,

Willst du die andern verstehen, blick in dein eigenes Herz.

Friedrich Schiller